Die aktuell laufenden archäologischen Grabungen auf dem Neustädter Kirchplatz bringen wie erwartet eine Vielzahl von Skeletten und menschlichen Knochenresten aus Bestattungen auf dem einstigen Friedhof rund um die 1963 abgerissene Neustädter Marienkirche zutage. Die Experten sind aber auch auf Fundamente des 1540 zerstörten Kirchturms sowie Grundmauern mehrerer Vorgängerkirchen gestoßen, berichtet Stadtarchäologe Markus Wehmer. Die von den Fachleuten der Firma Streichardt & Wedekind aus Göttingen mit einem sechsköpfigen Team durchgeführten Grabungen werden voraussichtlich länger als bis Ende April dauern, wie ursprünglich gedacht, sagte Wehmer. Das Archäologie-Unternehmen hatte auch bereits Ende 2019/Anfang 2020 vor dem Trafoneubau auf dem Neustädter Kirchplatz gegraben.

Insgesamt rechnet der Stadtarchäologe mit bis zu 200 Bestattungen, von denen die Experten die Knochen freilegen. Einige Skelette sind gut erhalten und nahezu vollständig, bei anderen wird deutlich, dass früher auf dem Kirchhof übereinander und auch ineinander verschachtelt beigesetzt wurde. Für neue Gräber wurden damals noch vorhandene Knochenteile an die Seite gedrängt. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurde rund um die Kirche beerdigt. Von einigen Bestattungen sind Reste von Sargbrettern in der Erde sichtbar geblieben, auch einige Sargnägel. Bei einer Beisetzung sind offenbar zwei Kinder in einem Sarg gemeinsam bestattet worden. Bei einer Bestattung wurde bislang auch eine Münze als Beigabe gefunden, die noch näher untersucht werden muss. Vielleicht sollte sie als Pfennig für den legendären Fährmann ins Jenseits dienen, vermuten die Archäologen.
Wie Stadtarchäologe Markus Wehmer weiter berichtet, sind bislang sechs Kinder-Bestattungen aus der Barockzeit gefunden worden, die sich durch Reste von Totenkronen auszeichnen. An einem Kronenrest habe man sogar noch Haare gefunden. Überrascht ist Wehmer, bei dem schon mehrfach umgebauten Innenstadtplatz Skelette in teilweise gerade einmal 60 Zentimetern Tiefe zu finden.


Auch das Turmfundament unter der einstigen Gerichtsstraße war kaum 25 Zentimeter unter dem Asphalt freizulegen. Das etwa 17×17 Meter große Fundament soll einst für den großen Turm der Neustädter Kirche aus dem 15. Jahrhundert gedient haben, die beim großen Stadtbrand am 26. Juli 1540 zerstört wurde.
Wissenschaftlichen Diskussionsbedarf sehen die Archäologen bei den freigelegten verschiedenen Horizonten im Boden noch in der Zahl der gefundenen Fundamente und von welchen Kirchbauten auf dem Platz diese stammen. Sicher ist, dass es in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einen ersten Kirchbau gegeben hat, der zweite soll von spätestens 1464 stammen. Nach dem Stadtbrand 1540 wurde die Kirche ebenfalls neu aufgebaut, zuletzt erneut nach dem Feuer in der Neustadt 1826. Ob die Kirchen jeweils immer größer neu gebaut wurden oder teilweise auf den vorhandenen Umrissen wieder aufgebaut wurden, müssen die Forschungen erst noch ergeben.


Aus einer für wahrscheinlich einen Heizungskeller geborgenen Grube von so genannten Spolien können die Archäologen auch viele Rückschlüsse ziehen. Diese Steine von Bauteilen erzählen nicht nur durch die teilweise erhalten gebliebenen Steinmetzmarken. An einigen aus dem Innenraum der Kirche sind Reste der ursprünglichen Farben blau und ocker erhalten geblieben. Die Funktion einiger Steine an der Fassade oder an den Fenstern wollen die Forscher mit einer 3D-Visualisierung ermitteln.
Die archäologische Denkmalpflege der Stadt Einbeck würde sich über Fotografien der 1963 abgebrochenen Neustädter Kirche freuen, sowohl aus dem Innenraum als auch von außen.






