Archäologen graben im Keller des Historischen Rathauses – und finden 600 Jahre alten Prägestempel

Bei archäologischen Ausgrabungen im Keller des Historischen Rathauses am Marktplatz ist ein wahrscheinlich aus dem späten 14. Jahrhundert stammender Prägestempel für Einbecker Hohlpfennige entdeckt worden. Mit ihm konnten im späten Mittelalter Münzen geprägt werden, jede Stadt hatte damals ihre eigenen Geldstücke. Einbecks Stadtarchäologe Markus Wehmer bezeichnet den Fund als bisher herausragendsten in seiner Zeit in Einbeck. Der aus Messing oder Bronze stammende Prägestock, der zurzeit behutsam von Erdresten befreit und von Expertinnen restauriert und näher untersucht wird, legt laut Wehmer die Vermutung nahe, dass im 14./15. Jahrhundert hier die Einbecker Münzstätte gewesen sein dürfte – in unmittelbarer Nähe zu Rathaus und Ratswaage.

Stadtarchäologe Markus Wehmer mit der Scherbe eines Tongefäßes, das die Experten im Rathauskeller geborgen haben. Foto: Frank Bertram

Aktuell laufen Ausgrabungen im Kellergewölbe des Alten Rathauses, die insgesamt drei Wochen umfassen und vom Archäologie-Unternehmen Goldschmidt (Düren/Hellental) mit drei Mitarbeitern durchgeführt werden. Grabungsleiter ist Rafael Roth, außerdem sind Dominika Florczyk und Dr. Nils Hellner vor Ort. Die Grabungen finden im Vorfeld des geplanten Einbaus eines Fahrstuhls an der östlichen Wand des Rathausgebäudes am Durchgang zum Hallenplan statt. Weil für die Unterfahrung für den Lift der Fußboden um knapp zwei Meter abgetragen werden muss, können die Archäologen in diesem Bereich auf einer etwa vier mal fünf Meter großen Fläche im Keller graben. Die Goldschmidt-Archäologen, die in Einbeck auch schon an der Münstermauer gegraben hatten, haben außerdem ein 3D-Modell des Ratskellers per Laser millimetergenau eingemessen, welches künftig auch für andere Bau- und Planungszwecke genutzt werden kann.

Fundsituation des Prägestempels, der jetzt von Erde befreit und gereinigt wird. Foto: Goldschmidt Archäologie

Dokumentieren konnten die Archäologen verschiedene Fußbodenhorizonte aus vergangenen Jahrhunderten. Unter der obersten, Mitte des 18. Jahrhunderts mit Sandsteinplatten belegten Schicht konnten die Fachleute 27 Kupfer-Münzen finden, die aus dem 17./18. Jahrhundert stammen, darunter Einbecker Stadtpfennige mit dem Einbecker „E“. Außerdem stützen ein Stilrest eines so genannten Flügelglases, mehrere Scherben von Weingläsern und einige Tabakpfeifen aus Ton die Datierung. Diese Funden zeigen auch, dass die Ratsherren früher eher Wein getrunken und dort Tabak geraucht haben.

„Wir haben Klarheit über die Baugeschichte gewinnen können“, sagt Stadtarchäologe Markus Wehmer über die Grabung. Der Keller des Alten Rathauses ist wesentlich älter als das Gebäude selbst, das erst nach dem großen Stadtbrand von 1540 in dieser Form mit den drei Spitztürmen errichtet worden ist. Der schon beim Vorgängerbau vorhandene Keller, der mehrfach umgebaut worden ist, hatte wohl ursprünglich nur eine Säulenreihe, später sind mehrere Säulen zweitverwendet und anders angeordnet worden, um das Kreuzgewölbe mit jetzt zwei Säulenreihen zu stützen, berichtet Markus Wehmer. Das sehe man auch an den unterschiedlichen Höhen der Säulen.

In der Zeit nach dem Stadtbrand ist der Keller des Historischen Rathauses wohl als Markthalle genutzt worden, in der wertvollere Waren als auf dem Marktplatz angeboten wurden, meint Wehmer. 31 Farbschichten, von denen zwei mit schwarz und roten Farbresten freigelegt werden konnten, deuten auf eine Ausmalung des gesamten Kellergewölbes, das zurzeit schlicht hell gekalkt ist. Im Januar soll eine Restauratorin die historischen Farbbefunde des Gewölbes näher untersuchen.

Stil eines Flügelglases. Foto: Frank Bertram
Dr. Nils Hellner zeigt auf dem Bildschirm ein Foto, wie der Prägestempel gefunden und freigelegt wurde. Foto: Frank Bertram

Ob die Sanierungspläne für das Rathaus inklusive Fahrstuhl-Einbau noch so wie geplant umgesetzt werden, ist offen. Der parteilose Ratsherr Alexander Kloss, seit Jahrzehnten als Stadtführer bestens mit dem Kellergewölbe vertraut, fordert in einem längeren Facebook-Beitrag ein Umdenken und den Fahrstuhl an einer anderen Stelle.

Facebook-Post von Ratsherr Alexander Kloss vom 7. Dezember 2021.

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