Katholisches Gemeindehaus: Archäologische Grabungen auf einer der ältesten Parzellen Einbecks

Foto: Frank Bertram

Das neue katholische Gemeindehaus wird auf historischem Grund stehen. Das war imgrunde vorher klar, jetzt haben die ersten Tage der archäologischen Grabungen dies jedoch bestätigt. Das Grundstück Stiftplatz 11 (heute Pfarrhaus) reichte einstmals bis zur Stadtmauer. Auf dem Teil, auf dem jetzt das neue Gemeindehaus der St. Josef-Gemeinde entstehen wird, standen in früheren Jahrhunderten mehrere Gebäude: Scheune, Ställe und ein Waschhaus. Die Experten um Grabungsleiterin Sabine Stoffner haben die Fundamente und Grundrisse der Bebauung aus dem 14. Jahrhundert freigelegt. Viel tiefer werden die Archäologen für den Neubau nicht graben müssen, weshalb die zu vermutenden Funde aus vorherigen Jahrhunderten in situ, also vor Ort, bleiben werden. Der Stiftsbezirk rund um die Münsterkirche St. Alexandri gehört zu den Keimzellen Einbecks, hier gab es schon im 11. Jahrhundert Siedlungen.

Foto: Frank Bertram
Grabungsleiterin Sabine Stoffner zeigt einen Grapenfuß, die Stütze eines mittelalterlichen Kochtopfes. Foto: Frank Bertram

Die archäologischen Grabungen verschieben die eigentlich am 4. August geplante Grundsteinlegung auf noch nicht bestimmte Zeit. Denn die Grabungen werden länger als geplant dauern – und für den Bauherrn auch teurer werden als erwartet. Das sagten Vertreter des Neubauausschusses der katholischen Kirchengemeinde, die vor Ort spontan nach entsprechenden Bodenfunden entschieden, das die Bodenplatte für den Neubau um 20 Zentimeter höher als geplant gegossen werden soll, um dadurch Funde im Boden erhalten zu können. Das Gebäude bleibe aber unverändert barrierefrei erreichbar, nur an der Treppe werde es eine Stufe mehr geben, die Rampe etwas steiler sein.

“Es ist wahnsinnig spannend, welche Funde hier entdeckt werden”, sagte Gudrun Machens, Vertreterin von Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand, Fundraisingteam und Neubauausschuss, bei einem Ortstermin am Dienstag. Bisher habe man dieses nur erahnen können. Über das Stadtviertel könne man dadurch etwas lernen.

Foto: Frank Bertram
Ortstermin auf der Grabung (v.l.): Sabine Stoffner (Streichardt & Wedekind Archäologie), Stadtarchäologe Markus Wehmer, Frank Kappei (Architekturbüro Hilger), Gudrun Machens, Dr. Alois Kühn, Gerald Strohmeier und Bruno Morak aus dem Neubauausschuss, Denkmalpflegerin Krimhild Fricke, Bauen-Fachbereichsleiter Jens Ellinghaus. Foto: Frank Bertram

Neben den historischen, aus Kalkstein und Sandstein bestehenden Fundamenten hat das Team um Grabungsleiterin Sabine Stoffner (Streichardt & Wedekind Archäologie) Brandlehm und verfärbte Dachziegelreste aus der Zeit des Stadtbrandes 1540 gefunden, ins 16. Jahrhundert datieren die Archäologen auch Henkelansätze, einen Grapenfuß (Fuß eines getöpferten Kochtopfes) und Reste von so genannten Linkskrempern (Dachziegel). Aus dem 19. Jahrhundert dürften Scherben und Glas, ein Ziernagel, eine Patronenhülse sowie Kupfergeflecht aus früheren Stromleitungen stammen, die sie ausgegraben haben.

Foto: Stadtarchiv Einbeck
Die 1872 gebaute Kapelle, aus der später durch mehrere Umbauten das katholische Pfarrheim wurde, das 2022 abrissen worden ist. Foto: Stadtarchiv Einbeck

Das Haus Stiftplatz 11 stammt aus dem Jahr 1655 und ist eines der wenigen in Einbeck erhaltenen Querdielenhäuser. Es gehörte einst einem Stiftskanoniker innerhalb der Stiftsfreiheit von St. Alexandri. Die Hausstelle reichte bis an die Stadtmauer (heute Stiftsgarten/Ostertor) heran und bestand aus zahlreichen Gartenbeeten, wie ein alter Stadtplan von 1752 zeigt. Auf dem Hof, auf dem jetzt das Gemeindehaus gebaut wird, standen früher Scheune, Ställe und Waschhaus. 1872 wurde an das heutige Pfarrhaus eine Kapelle angebaut, der 17 Meter lange und zehn Meter breite Bau wurde 1882 nach Osten nochmals um einen polygonen Chor mit Dachreiter und Glocke erweitert und diente bis zum Kirchenbau von St. Josef 1895 als Gotteshaus. In den Jahren 1960 und 1970 wurde der zum Pfarrheim umgebaute Saal stark verändert, 2022 wurde das Gebäude abgerissen. Zwei Gutachten hatten zuvor bestätigt, dass das Gebäude baufällig und mit vertretbarem Aufwand nicht mehr zu retten sei, der Denkmalcharakter war bereits vorher nicht mehr gegeben.

Foto: Stadtarchiv Einbeck
Auf dem Stadtplan von 1752 ist die Münsterkirche und der Stiftplatz gut zu erkennen, ebenso das heutige Baugrundstück (gelber Pfeil) mit Gartenparzellen bis zur Stadtmauer. Foto: Stadtarchiv Einbeck
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Fundamente der Vorgängerbebauung haben die Archäologen dokumentiert. Foto: Frank Bertram

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