Der angekündigte Generationswechsel bei KWS ist vollzogen, eine Ära endet: Bei der heutigen Hauptversammlung des Einbecker Saatzuchtunternehmens KWS hat Dr. Andreas Büchting nach 47 Jahren in Vorstand und Aufsichtsrat seine Mandate niedergelegt. „Sie haben das Familienunternehmen maßgeblich weiterentwickelt und für die kommende Generation bestens vorbereitet“, würdigte die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Marie Theres Schnell die Lebensleistung des 76-Jährigen. „In der Sprache der Züchter: Hoher Ertrag, sehr gute Qualität, perfekte Standortanpassung sowie Resistenz gegenüber Krisen und Schädlingen.“ Andreas Büchting war von 1978 bis 2007 im Vorstand tätig, zuletzt als dessen Sprecher. Seit 2008 war er Vorsitzender des KWS-Aufsichtsrates. Der Umsatz ist in dieser nahezu fünf Jahrzehnte umfassenden Zeitspanne von 74 Millionen Euro auf 1,54 Milliarden Euro gestiegen, was einer Steigerung von 2000 Prozent entspricht.
„Die Entwicklung von KWS zu einem international führenden, innovativen Saatgutunternehmen ist untrennbar mit dem Namen Andreas Büchting verbunden“, sagte Schnell in ihrer Laudatio. „Er lebt jeden der Werte Nähe, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit und Weitblick persönlich und ist somit Inspirationsquelle und Vorbild für mehr als 5000 Mitarbeiter in über 70 Ländern.“ Büchting habe die Vielfalt im Unternehmen immer gefördert und gefordert – in der Überzeugung, dass dadurch trotz wachsender Komplexität kreativere Lösungen entstehen.


Mit Dr. Felix Büchting (48) tritt ab 2023 die siebte Generation der Gründer an die Vorstandsspitze. Der bisherige Vorstandssprecher Dr. Hagen Duenbostel (52), der seit 2003 Mitglied des Vorstandes und seit 2015 dessen Sprecher war, legt nach den Unternehmensrichtlinien eine zweijährige Pause ein, bevor er ab 2025 auf Wunsch der Familienaktionäre Büchting/Oetker Vorsitzender des KWS-Aufsichtsrates werden soll. Bis dahin übernimmt der frühere KWS-Vorstandschef Dr. Philip von dem Bussche (72) den Aufsichtsratsvorsitz, er war von 2005 bis 2012 Mitglied des Vorstandes bei KWS, seit 2008 als Sprecher. „Ich bin acht Jahre abgekühlt, aber mit heißem Herzen dabei“, spielte von dem Bussche auf die so genannte Cooling-Down-Phase an.
Hagen Duenbostel verlegt seinen Lebensmittelpunkt nun in die Nähe von Innsbruck. „Passen Sie gut auf unseren Unruhegeist auf“, appellierte Andreas Büchting an Duenbostels Ehefrau Sandra. Es sei ein bisschen wie letzter Schultag, sagte Duenbostel selbst zu seiner letzten Versammlung in Vorstandsfunktion. Die Pause von zwei Jahren wolle er ernstnehmen und vom operativen Geschäft zur Strategie wechseln, während der Unterbrechung werde er andere Unternehmen sehr gerne beraten und seine Aufsichtsratsmandate in anderen Gesellschaften wahrnehmen. Und er könne nach der “emotionalen Achterbahnfahrt” und vielen “letzten Malen” in den vergangenen Wochen gut loslassen, weil er mit Felix Büchting einen Nachfolger habe, der hervorragend die Werte des Familienunternehmens verstehe.

Die Hauptversammlung hat turnusgemäß einen neuen Aufsichtsrat gewählt. Neben Andreas Büchting sind nach 15-jähriger Mitwirkung auch Cathrina Claas-Mühlhäuser (Frankfurt/M.) sowie für die Arbeitnehmerseite Jürgen Bolduan ausgeschieden, der weiterhin Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates bleibt. Die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Marie Theres Schnell (München) sowie Victor W. Balli (Zürich) wurden wiedergewählt. Neu in dem Aufsichtsgremium ist Prof. Stefan W. Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen. „Ich freue mich, dass ich als Vollblutforscher meine Erfahrungen einbringen kann“, sagte Hell. „Wissenschaftliche Erfolge sollten immer auch umgesetzt werden können.“ Für die Arbeitnehmerseite tritt die Vorsitzende der europäischen Arbeitnehmervertretung, Christine Coenen (Einbeck), ihre zweite Wahlperiode im Aufsichtsrat an. Als weiteren Vertreter hat die Belegschaft Eric Gombert neu in das Gremium gewählt. Der 54-jährige leitet die KWS-Zuchtstation in Buzet/Frankreich.
Bilanzzahlen
KWS erzielte im Geschäftsjahr 2021/2022 einen Umsatzzuwachs von rund 17 Prozent auf 1,54 Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss in Höhe von 107,8 (110,6) Millionen Euro sowie das Ergebnis je Aktie von 3,27 (3,35) Euro erreichten in etwa das Vorjahresniveau. Die Hauptversammlung hat Vorstand und Aufsichtsrat entlastet und der Ausschüttung einer Dividende in Höhe von erneut 0,80 Euro je Aktie zugestimmt. Damit werden erneut 26,4 Millionen Euro an die Aktionäre der KWS SAAT SE & Co. KGaA ausgeschüttet. Für die KWS-Gruppe erwartet der Vorstand aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung nach den ersten drei Monaten für das laufende Geschäftsjahr 2022/2023 nunmehr ein Umsatzwachstum von 10 bis 12 Prozent (bisher: 7 bis 9 Prozent). Die Forschungs- und Entwicklungsquote soll in einer Spanne von 18 bis 20 Prozent liegen.

Protest
Ein kleine Gruppe von knapp zehn Demonstrierenden hat vor der KWS-Hauptversammlung unter dem Motto “Keine Patente auf Saatgut” (“No patents on seeds”) protestiert. Zwischen den zwei Traktoren, mit denen die Protestler die Aktionäre vor der Halle am PS-Speicher in Einbeck empfangen haben, waren fünf mannshohe Standbilder postiert, die Tomate, Brokkoli, Braugerste und Mais symbolisieren sollten. Unterstützt wurde der Protest von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dem Gen-ethischen Netzwerk (GeN) und WeMove Europe. Patente auf konventionell gezüchtetes Saatgut bedeuteten ein Ende der traditionellen Pflanzenzucht, sie blockierten und behinderten den Zugang zu biologischer Vielfalt, sagte ein Sprecher der Protestler. KWS solle seine Patente zurückziehen. Patente dürften auch in Zukunft den besonderen Sortenschutz, das so genannte Züchterprivileg, nicht einschränken, reagierte Vorstandssprecher Hagen Duenbostel, der wie Andreas Büchting kurz mit den Protestlern sprach. Es sei Ziel von KWS, niemanden von gemeinsamer Innovationskraft auszuschließen. „Daher stellt KWS eigene Patente aktiv auf bestehende Lizenzplattformen und initiiert gemeinsam mit anderen Wettbewerbern den Aufbau neuer Plattformen“, sagte Duenbostel. „Dem Züchterprivileg wird hierdurch umfassend Rechnung getragen.“ Die Möglichkeit der Patentierung technologischer Erfindungen im Bereich der Pflanzenzüchtung sei wichtig, weil sie langjährige und kostenintensive Forschungsprojekte ermögliche und Anreize für deren Finanzierung schaffe.

Auf dass sie ewig bliebe
die Zeit der Zuckerrübe!
Alles Gute wünscht
Walter-Wilhelm Funcke