Die AVUS, einst als „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“ gedacht und heute eine der Haupteinfahrtstraßen in die Hauptstadt, feiert ihren 100. Geburtstag. Viele Mythen ranken sich um die einst bis zu 19 Kilometer lange Strecke in Berlin, die älter ist als der Nürburgring und schneller war als jede andere Rennstrecke – und durchaus gefährlich. Der Einbecker PS-Speicher und die Initiative „AVUS100“ feiern das Jubiläum dieses geschichtsträchtigen Ortes mit einer Sonderausstellung, die jetzt offiziell eröffnet wurde – unter anderem mit Rennfahrerlegende Hans-Joachim “Strietzel” Stuck, der über seine Erlebnisse auf der AVUS plauderte. Die Schau ist bis zum Sommer nächsten Jahres zu sehen.
Vier oder fünf Mal ist “Strietzel” Stuck selbst auf der AVUS gefahren, den ersten DTM-Sieg mit dem Audi V8 hat er 1990 dort erreicht, das Fahrzeug steht in der Ausstellung. “Für mich ist die AVUS auch Familientradition”, erzählt der 70-Jährige und erinnert an seinen Vater Hans, der ebenfalls auf der AVUS Rennen gewonnen hat. 1990 durfte “Strietzel” auf der AVUS im Vorprogramm des DTM-Rennens mit dem Rennwagen und in der Rennfahrermontur seines Vaters eine Ehrenrunde drehen. “Da habe ich heute noch Gänsehaut”, erzählt er.



Alle 17 Exponate, die in der neuen Sonderausstellung des PS-Speichers im Forum gezeigt werden, darunter drei Motorräder, sind auf der legendären AVUS in Berlin tatsächlich gefahren. Die Fahrzeuge der Marken Mercedes, BMW, Audi, Borgward, NSU und Opel standen in dieser Form noch nie zusammen in einer Ausstellung. Der 100. Geburtstag der AVUS macht’s möglich. Für den PS-Speicher ist dies die erste Sonderausstellung ohne eigene Fahrzeuge, alle sind Leihgaben, erzählt Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel.
Wie üblich im PS-Speicher zeigt das Oldtimermuseum nicht allein die Fahrzeuge der AVUS, sondern informiert in der Ausstellung über viele Details dieses Sinnbilds automobiler Geschichte und erinnert an unzählige Anekdoten. Die Besucher erfahren beispielsweise über die Entstehung und den Ausbau der Nordkurve, können lesen wie die AVUS durch den Kalten Krieg kam und Deutsch-deutsche Duelle erlebte, und über Rekordbesucherzahlen von 350.000 Menschen berichtet die Schau auch mit vielen historischen Fotografien. Den Frauen auf der AVUS wie Heidi Hetzer oder Ellen Lohr ist ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso der Rennfahrer-Familie Stuck. Und natürlich über Motorradrennen berichtet die Schau, außerdem über die DTM-Rennen.
Warum die Wahl für diese Jubiläumsausstellung auf Einbeck fiel, erklärt AVUS100-Initiator Ulf Schulz: „Mit dem PS-Speicher konnte ich einen Partner gewinnen, der es versteht, den Besuchern legendäre Geschichten mit Herz und Hand sowie einem guten Gespür für Ausstellungsästhetik näherzubringen. Zwar liegt der PS-Speicher nicht in der Hauptstadt, dafür aber zentral mitten in Deutschland.”

Kaiser Wilhelm II. erdachte die AVUS bereits 1909. Er war zwar eigentlich kein Freund des Automobils (“Hat keine Zukunft, ich setze aufs Pferd”). Als Freund der Industrie war er aber überzeugt davon, die schnelle Piste am damaligen Stadtrand seiner Hauptstadt könne die noch junge deutsche Auto-Branche stärken. Den internationalen Motorsport dominierten längst Frankreich, Italien und England. So wurde auf kaiserlichen Befehl ab 1913 eine lange Schneise durch den Berliner Grunewald geschlagen. Der Erste Weltkrieg vereitelte zunächst einen Beginn. Erst 1921 startete das erste Rennen auf der AVUS. Fortan war sie die erste reine Autostraße der Welt, während die Meisten noch mit Kutschen oder Fahrrädern unterwegs waren.
Internationale Bedeutung erhielt die AVUS erstmals 1926. Die Premiere des Großen Preises von Deutschland lockte viele Fahrer mit Renommee. Nach einem tragischen Unfall mit vier Toten drohte jedoch das motorsportliche Aus, noch bevor die AVUS überhaupt hätte Geschichte schreiben können. Immerhin nutzte man die langen Geraden fortan als Schauplatz atemberaubender Rekordfahrten. In den Folgejahren jubelten die Zuschauer nicht nur Sportwagen und Motorrädern zu, sondern auch der Formel 1, der Formel 3 und der DTM. Im Lichte der wachsenden Stadt und strengerer Vorschriften wurde der Niedergang der AVUS als Rennstrecke immer deutlicher. 1999, vor über 20 Jahren, fiel die Flagge zum letzten Mal. Rund um die AVUS war längst eine moderne Autobahn entstanden. Doch immer noch ist die AVUS ein wichtiger Teil Berlins, wie die schnurgerade Fahrt auf der A115 beweist. Auch wenn sie nur selten mit der Zeit ging, hat die AVUS das wohl schnellste Jahrhundert der Geschichte überdauert.
Die Ausstellung im PS-Speicher ist nur ein Teil des AVUS-Jubiläums: Erschienen ist das Buch „Ein rasantes Jahrhundert” von Ulf Schulz, die in einer Sonderausgabe im PS-Speicher erhältlich ist. Der Fernsehsender arte arbeitet an einer Dokumentation, die Deutsche Post hat eine Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag auf dem Markt gebracht. Das Hörspiel “Leo und die Abenteuermaschine” rundet die AVUS100-Aktivitäten ab. Und die AVUS-Tribüne ist saniert und kann jetzt als Event- und Bürofläche gemietet werden.
Der PS-Speicher zeigt die Sonderausstellung über die AVUS im PS.Forum dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr während der Öffnungszeiten des Oldtimermuseums. Es gilt ein Hygienekonzept mit Maskenpflicht. Die Einzelkarte für die Haupt- und alle Sonderausstellungen kostet 18 Euro, ermäßigt 12 Euro. www.ps-speicher.de







