Wo ist das? In welcher Straße ist dieses Foto entstanden? Wer die großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien in der neuen Ausstellung im Einbecker Stadtmuseum betrachtet, geht unwillkürlich auf eine Zeitreise. Vor 50 Jahren, in den frühen 1970-er Jahren, hat der damals 16-jährige Ulrich Haufe mit dem Fotografieren begonnen – in Einbeck. Objekte vor seiner Kamera waren Menschen, junge ebenso wie alte. “…am Anfang war Einbeck” hat Haufe die Ausstellung überschrieben, die er mit dem Team des Museums auf die Beine gestellt hat. Denn für den späteren Naturfilmer und Kameramann fing in seiner Heimatstadt mit der so genannten Straßenfotografie alles an, wie er sagt.

Beobachten und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken – das kommt Menschen mit allgegenwärtigen Fotohandys und deren nahezu unbegrenzter Speicherkapazität für Bilder heutzutage wie die Beschreibung aus einer lange vergangenen Zeit vor. Dabei war es bei der Generation der analogen Fotografie auf Film, die auch Ulrich Haufe selbst entwickelte (übrigens lernte er das damals im Haus der Jugend), selbstverständlich. Einfach mal eine Serie von 50 Fotos machen und aus diesen dann das richtige auswählen – das funktionierte bei einem 36-er Film eben nicht, zudem war das Fotografieren nicht gerade günstig, Filme mussten gekauft und entwickelt werden.
Ulrich Haufe, geboren 1954 in Einbeck, ist mit seiner Spiegelreflexkamera (die auch in der Ausstellung zu sehen ist, ebenso wie eine Dunkelkammer zum Filme entwickeln und Fotos vergrößern) durch die Straßen seiner Heimatstadt gelaufen und hat Menschen in Alltagssituationen abgelichtet. Entstanden sind Fotoportraits in der “Fasznation des Augenblicks”, wie Haufe seine damalige Motivation umschreibt. “Sehen gelernt habe ich durch meine Straßenfotografie.” Die Fotos sind gleichsam ein zeithistorischer Einblick in die Geschichte der Stadt Einbeck, sind doch neben den Menschen auch viele Straßen und Häuser erkennbar, die es zwar heute nicht mehr (so) gibt, die aber dennoch Widererkennungseffekte erzeugen.
In Einbeck hat Ulrich Haufe gemeinsam mit Clemens Kröner vor sechs Jahren seine Fotos von “Moorleichen aus Blech” ausgestellt, die Oldtimer aus dem Moor sind inzwischen auch Teil des PS.Depots Kleinwagen in der Schusterstraße. Durch den Kontakt zum PS-Speicher ist auch die Idee der Straßenfotografie-Ausstellung in den vergangenen Jahren entstanden. Gewissermaßen drei Museumsleiter haben daran mitgewirkt: Mit Marco Heckhoff (Leiter Stadtmuseum 2021-2023), inzwischen Fachbereichsleiter im Rathaus, hat Ulrich Haufe die Schau wesentlich entwickelt, Nachfolger Carl Philipp Nies (seit Mai 2023) hat sie mit seinem Team sozusagen geerbt, vor allem Dr. Imke Weichert hat beim Aufbau und der Hängung wesentlich mitgearbeitet. Und Nies Vor-Vorgängerin Dr. Elke Heege (Museumsleiterin 1992 bis 2020) hat einen Text zur Ausstellung beigesteuert, allerdings als Vorsitzende des Einbecker Geschichtsvereins.
Zu der Ausstellung, die bis 23. Dezember im Stadtmuseum Einbeck zu sehen ist, ist ein sehens- und lesenswerter Katalog in Zusammenarbeit mit dem Einbecker Geschichtsverein entstanden, der im Museum erhältlich ist. Vorsitzende Dr. Elke Heege beschreibt in einem Aufsatz das Lebensgefühl der 70-er Jahre. Marcus Wildelau formuliert in einem lesenswerten Essay so: “Man hat vor 50 Jahren deutig mehr Hüte getragen als heute.” Doch diese seien damals bereits im Verschwinden gewesen. “Die Jugend brauchte Freiheit für ihre Frisuren.”


