Hier hat sie gelebt und gewirkt, an diesem Haus in der Akazienstraße in Kreiensen-Brunstein erinnert jetzt eine Frauenorte-Plakette an die erste Landärztin im Braunschweiger Land: an Dr. Paula Tobias (1886-1970). Der Ortsrat unterstütze gerne, dass ihre Geschichte lebendig und im Bewusstsein bleibe, sagte Ortsbürgermeister Axel Ambrosy bei der offiziellen Enthüllung der Tafel. Paula Tobias sei eine starke Frau gewesen. Für Dr. Katja Drews, Kulturdezernentin des Landkreises Holzminden, war die Enthüllung in Kreiensen “ein besonderer, historischer Moment”, wie sie sagte. Inhaltlich sei Paula Tobias in Kreiensen bereits angekommen, nun werde das mit der Plakette auch ebenso sichtbar wie in den anderen Wohnorten der Ärztin, in Delligsen und Bevern.

Simone Engelhardt, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Einbeck, dankte allen Beteiligten für das Engagement und die Unterstützung. Unter anderem auch den Eigentümern des Hauses, die ihre Genehmigung gaben, die Plakette anzubringen. Lange habe man pandemiebedingt warten müssen, habe Heimatforscher Joachim Prochnow die bereits gefertigte Frauenorte-Plakette sorgsam bei sich gehütet. Nun habe man die Verbindung zu den beiden anderen Wohnorten von Paula Tobias in Kreiensen öffentlich sichtbar machen können.
In dem 1910 gebauten Haus Akazienstraße 2 auf dem Brunstein in Kreiensen eröffnete Paula Tobias 1912 ihre Praxis, dafür wurde das Gebäude nochmal erweitert, berichtete Joachim Prochnow. Von dem Haus aus habe die Ärztin einen kurzen Weg zu den Baracken am Bahnhof gehabt, wo im Ersten Weltkrieg ein Lazarett eingerichtet und die Landärztin tätig war.

Ende 2018 ist eine Dauerausstellung im Rathaus Kreiensen über Paula Tobias eröffnet worden. Sie zeigt während der Öffnungszeiten im ehemaligen Sitzungssaal das Leben und Wirken der Ärztin, nicht nur, aber speziell in Kreiensen. Auf 18 Informationstafeln erfahren die Besucher, wie und warum Paula Tobias mit ihrem Ehemann 1912 nach Kreiensen kam und in der Akazienstraße eine Praxis eröffnete, wie sie zeitweise im Ersten Weltkrieg die einzige Ärztin im Ort war, Pflegerinnen ausbildete und außerdem am Bahnhof in einem Lazarett die Kriegsverwundeten versorgte. Und sie erfahren, warum die Medizinerin 1935 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit ihrer Familie in die USA emigrieren musste – weil sie Jüdin war.
Seit 2017 ist Schloss Bevern der 34. Standort der „Frauenorte“ in Niedersachsen, einer Initiative des Landesfrauenrates, mit der die Geschichte von Frauenpersönlichkeiten bekannter gemacht werden soll. Kreiensen ist so genannter Nebenort, ebenso Delligsen. Paula Tobias war eine der ersten Frauen in Deutschland, die Medizin studieren durften, eine Pionierin in dem Beruf. Forsch und beherzt hat sich die damals 26-Jährige mit eigener Praxis in einer Männerdomäne behaupten müssen. Paula Tobias, geboren in Hamburg, hat als Ärztin von 1912 bis 1917 in Kreiensen gewirkt. Nachdem Ehemann Fritz 1914 in den Ersten Weltkrieg zieht, betreibt sie die Praxis allein, bildet Pflegerinnen und Sanitätsmannschaften für das Lazarett im Bahnhof aus. 1917 entscheidet sie, eine Praxis in Delligsen zu übernehmen, beginnt dort mit der Mütterberatung, die Frauen bei der Säuglingspflege unterstützt. 1928 ziehen Paula und Fritz Tobias mit ihrer Praxis nach Bevern. 1935 emigrieren sie mit Sohn Gerd nach Kalifornien. In den USA kann Paula Tobias nicht wieder als Ärztin arbeiten, sondern wird Krankenpflegerin. 1970 stirbt sie mit 84 Jahren. Weitere Informationen: www.frauenorte-niedersachsen.de.
2019 wurden erste Stromverteilerkästen mit Fotos aus dem Leben und Wirken von Dr. Paula Tobias in Kreiensen beklebt. Auf Initiative des Ortsrates soll am Bahnhof ein Blumenbeet mit der neu gezüchteten Paula-Tobias-Rose bepflanzt werden, kündigte Ortsbürgermeister Axel Ambrosy an.
Im Schloss Bevern zwischen den Landesgartenschauen in Höxter und Bad Gandersheim findet 2023 unter dem Motto „Im Garten – Vom Teilen, Tauschen und Schenken bei Paula Tobias“ ein Themenjahr statt. Anlass ist die Gartenleidenschaft von Paula Tobias In den USA schrieb sie später über ihre Zeit in Bevern: „Die ganze Gegend blühte von meinen Pflanzen“. Eine Sonderausstellung informiert über Paula Tobias´ Gartenleidenschaft und führt in anschaulichen Abteilungen vor Augen, wie und was im Garten außer Pflanzen teilbar und mitteilbar ist, etwa botanisches Wissen, blühende Leidenschaften, genussreiche Stunden im Grünen.

„Ich selbst hatte in kürzester Zeit mehr Patienten als ich je gedacht hätte. Die erste weibliche Ärztin im Land Braunschweig zu sein, in Frage gestellt von einigen älteren Ärzten, die die weibliche Konkurrenz nicht eben begrüßten, stellte sich doch als recht gelingend heraus.“
Dr. Paula Tobias
Über das Leben von Paula Tobias ist heute verhältnismäßig viel bekannt, weil sie selbst 1940 eine Art Autobiografie geschrieben hat. Mit einem 240-seitigen Manuskript nahm sie am Wettbewerb der Universität Harvard teil, bei dem Emigrierte „Mein Leben in Deutschland vor und nach dem 30. Januar 1933“ beschreiben sollten. 2003 veröffentlichte Wiebke Lohfeld mit ihrer Dissertation ein Portrait von Paula Tobias, das wesentliche Grundlage für die Ausstellung ist.
