Von Frank Bertram
Wie schön wäre es gewesen… Nein, wie schön ist es gewesen! Denn das war ein wahrhaftiger Kulturkraftmoment, den die Macherinnen und Macher der neuen Veranstaltungsreihe „Kulturkrafttage“ den Besucherinnen und Besuchern am Sonntag zur besten Matinee-Zeit beschert haben. „Heine meets Jazz“ lautete das Programm, das per Stream zu den Kulturfreunden nach Hause kam. Die Pandemie hat die Premiere der „Kulturkrafttage“ auf 2022 verschoben.

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die PS-Halle wenigstens zu einem Viertel gefüllt hätte sein dürfen mit Menschen, die leibhaftig schwärmerische Heine-Texte aus dessen „Lyrischen Intermezzo“ (1823 erschienen) und dazu improvisierte Jazz-Klänge erleben. Das „Lyrische Intermezzo“ ist eines der bekanntesten Werke von Heinrich Heine, neben einem Prolog über einen einsamen Ritter enthält es 66 Gedichte.
Julia Hansen und Heikko Deutschmann haben fast 90 Minuten eine Stimmung erzeugt, als hätten Heinrich Heine und Jazz-Melodien schon immer zusammen gehört. Mit den Musikern Rhani Krija (Percussion), Jörg Siebenhaar (Akkordeon und Piano) und Thomas Zander (Saxophon) haben die beiden Schauspieler ein lyrisches Zwischenspiel komponiert, das faszinierte. Julia Hansen und Heikko Deutschmann sind nicht umsonst ein gefragtes Leseduo, das sein Publikum gern in unbekannte, mitreißende literarische Welten entführt. Bei „Heine meets Jazz“ war alles improvisiert, „in diesem Moment, ohne Netz und doppelten Boden – wie das Leben und die Liebe“, wie Julia Hansen zur Begrüßung sagte.
Schon nach wenigen Minuten Genuss wurde bei dem Online-Stream deutlich, welche Kraft der Kultur wir momentan missen müssen, und welche Kulturkraft wir schmerzlich vermissen. Das Live-Erlebnis, Auge in Auge, Töne ins Ohr. Da aber das Glas bekanntlich halb voll und nicht halb leer ist, können wir uns alle freuen, dass diese Matinee heute nicht mit den letzten Klängen verklungen ist, sondern dass sie weiterhin online abrufbar bleibt. Der Kulturkraftmoment kann so mehr Menschen erreichen als er selbst in einer voll besetzten PS-Halle je erreicht hätte.
Und für mich ist sonnenklar, dass ich diesen lyrischen Heine-Jazz unbedingt noch einmal erleben möchte. Und das nicht als Stream zuhause, sondern gemeinsam mit vielen Menschen, live in der PS-Halle in Einbeck. Bring it to us live! Once again!
