„Eine meiner wichtigsten Arbeiten“: Konzeptkünstler Timm Ulrichs im Video-Gespräch

Timm Ulrichs vor seinem Kunstwerk in Einbeck. Archivfoto Dezember 2018: Frank Bertram

„Ein Vorteil der Kunst ist, dass sie Gedanken anschaulich macht“: Timm Ulrichs hat sich schon vor Jahren überlegt, wie er die bekannte Quadratur des Kreises in einer Skulptur zeigen könnte. Herausgekommen ist auf Umwegen schließlich „Von Null bis Unendlich“ nördlich des Marktkirchturmes in Einbeck. Wer gedanklich erfolgreich sei, könne zufrieden sein, sagt Ulrichs. Der Konzeptkünstler, der in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden ist, bezeichnet die skulpturale Denkfigur als „eine meiner wichtigsten Arbeiten“. Mit „Von Null bis Unendlich“ sei ein Höhepunkt für ihn erreicht worden, und er würde sich glücklich schätzen, wenn andere das genauso sehen würden. Im Gespräch mit dem Kunstkritiker Michael Stoeber (Hannover) hat Timm Ulrichs in Berlin noch einmal auf sein Werk geblickt und über Hintergründe der seit 2018 in Einbeck stehenden Skulptur „Von Null bis Unendlich“ gesprochen.

Konzeptkünstler Timm Ulrichs im Gespräch mit Michael Stoeber. (c) Frank Bertram

Ein sich bewegendes, gebogenes Edelstahlrohr formt das Unendlichkeitszeichen, die liegende Acht, und verwandelt sich dann in eine Null. Je nach Standort steht der Betrachter entweder dem Nichts oder der Unendlichkeit gegenüber. Ein Motor hält die Skulptur langsam, permanent in Bewegung und lässt aus dem Nichts die Unendlichkeit und aus der Unendlichkeit das Nichts immer wieder von Neuem entstehen.

Im Gespräch mit Michael Stoeber erzählt Timm Ulrichs, wie er auf die Idee gekommen ist, an deren Anfang die Entdeckung einer visuellen Ähnlichkeit stand: dass die Null einen Kreis darstellt und das mathematische Zeichen für Unendlichkeit aus zwei Kreisen besteht, einer Acht. Ulrichs erzählt auch, warum die Skulptur vor einem Jahr noch einmal überarbeitet werden musste, nachdem ein Lkw die Konstruktion beschädigt hatte. „Das Ganze ist jetzt technisch besser durchdacht und ausgereift“, sagt er. Die markante Figur könne zu einer Art Wahrzeichen werden: Einbeck sei der Nullpunkt, und der strahle in die ganze Welt hinaus. Der Betrachter müsse die Figur länger und mit Abstand betrachten, damit sie sich erschließt. „Von Null bis Unendlich“ gewinnt laut Timm Ulrichs, wenn man weiter weg geht und sie eine Weile anschaut.

Der in Berlin geborene Konzeptkünstler hat in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert. Von der Berliner Akademie der Künste wurde ihm der diesjährige Käthe-Kollwitz-Preis für sein Lebenswerk zuerkannt. Im Haus am Lützowplatz in Berlin, vor dem das Video-Gespräch zwischen Timm Ulrichs und Michael Stoeber im Sommer aufgezeichnet wurde, lief unter dem Titel „Ich, Gott & die Welt |100 Tage – 100 Werke – 100 Autoren“ eine Ausstellung, in der 100 Autoren 100 Timm-Ulrichs-Werke kommentierten.

Timm Ulrichs studierte Architektur an der Technischen Hochschule Hannover. Als „Totalkünstler“ hat Ulrichs 1959 die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“ gegründet. 1961 erklärte er sich zum „Ersten lebenden Kunstwerk“. Ulrichs war von 1969 bis 2005 Professor für Bildhauerei und Totalkunst in Braunschweig und Münster. 1977 war er Teilnehmer der documenta in Kassel.  2010 widmeten das Sprengel Museum und der Kunstverein Hannover dem Pionier der Konzeptkunst eine große Retrospektive unter dem Titel „Betreten der Ausstellung verboten!“.