Gildentag des Handwerks: Nur mit Akademikern wird’s nicht gehen

Gildentag 2023 in der Stadthalle Northeim. Foto: Frank Bertram

Nur mit Akademikern wird’s nicht gehen: Beim diesjährigen Gildentag der Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck stand angesichts des Fachkräfte- und Lehrlingsmangels die Attraktivität von beruflicher Ausbildung im Mittelpunkt. Das Treffen konnte nach drei Jahren Pandemiepause mit rund 250 Teilnehmern am Montag wieder in der Stadthalle Northeim stattfinden; im kommenden Jahr ist dann wieder Einbeck der Veranstaltungsort. „Das Handwerk verlangt eine ernstgemeinte Anerkennung und die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Ausbildung“, erklärte der Präsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen, Delfino Roman.

Die Meister von morgen sollten von den Kosten der Meisterschule befreit werden, und schon in den Grundschulen müsse es wieder verpflichtenden Werkunterricht geben, später in den Gymnasien eine Berufsorientierung mit Beteiligung des Handwerks. „Das Handwerk ist Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“, betonte der Handwerkskammer-Präsident. Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, geheizte eigene vier Wände – dafür seien die verschiedenen Bereiche des Handwerks unverzichtbar.

„Ohne das Handwerk wären wir alle nichts“, sagte Landrätin Astrid Klinkert-Kittel in ihrem Grußwort. Es seien nun einmal auch Menschen notwendig, die den am Computer designeten Traum durch Handarbeit Wirklichkeit werden ließen. Als im Interesse der gesamten Gesellschaft bezeichnete Uslars Bürgermeister Torsten Bauer, das Handwerk dabei zu unterstützen, junge Menschen als Nachwuchs zu gewinnen. „Wir alle brauchen fast täglich das Handwerk“, sagte Bauer. Er sei außerdem sicher, dass Wertschätzung handwerklicher Arbeit nachhaltig Bestand haben werde, sagte Bauer. Bei aller Digitalisierung sei nicht jeder nach einer Videoanleitung im Internet ein Handwerker. Der auch politisch unterstützte Ansturm auf akademische Abschlüsse sei falsch gewesen, das sei inzwischen erkannt worden.

Der stellvertretende Kreishandwerksmeister Götz Girmann warb dafür, grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen in den Schulen wieder eine höhere Bedeutung beizumessen. Viele Lehrlinge hätten hier große Defizite, weiß der Elektromeister: „Wir dürfen uns nicht damit abfinden.“

Gildentag 2023 in der Stadthalle Northeim. Foto: Frank Bertram
Gildentag 2023 in der Stadthalle Northeim. Foto: Frank Bertram
Festrednerin Ramona Richardt beim Gildentag. Foto: Frank Bertram
Festrednerin Ramona Richardt beim Gildentag. Foto: Frank Bertram

„Nur mit Akademikern werden wir in Deutschland unsere Zukunftsthemen nicht stemmen können“, sagte Ramona Richardt. Die Northeimer CDU-Vorsitzende war als Festrednerin kurzfristig für den erkrankten Signal-Iduna-Gebietsdirektor Markus Roßmann eingesprungen. In dem von Handwerkern vor 115 Jahren gegründeten Versicherungsunternehmen hatte Richardt ihre Ausbildung gemacht. Sie werde ihre beiden Töchter jedenfalls darin unterstützen, wenn diese später einmal „Häuser bauen“ oder Friseurin und Visagistin werden wollen, wie diese heute sagten.  

Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau beim Gildentag. Foto: Frank Bertram
Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau beim Gildentag. Foto: Frank Bertram

Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau kritisierte den Bürokratismus, der zunehmend schlimmer werde und das Handwerk beispielsweise als Umsetzer der Klimaziele immer wieder ausbremse. „Es knirscht und knistert im Gebälk“, diagnostizierte der Maurermeister. Bauvorschriften würden ständig verschärft, trotz Wohnungsmangel werde die Förderung gestoppt, die Unterstützung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen werde eingeschränkt oder abgeschafft, bis ein Windrad gebaut sei, dauere es 2700 Tage – bei diesem Tempo könne das nichts werden, sagte Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau.

Schonlau wünschte sich eine wieder stärkere Anerkennung der „guten Sitten und Gebräuche“, die hochzuhalten er bei jeder Freisprechung von Gesellen einfordere. Heute werde aber noch nachgetreten, wenn der andere am Boden liege. Und diejenigen mit dem geringsten Einblick und Wissen zu einem bestimmten Thema würden am Lautesten schreien – verstärkt durch die so genannten Sozialen Medien, die weder sozial noch fürsorglich seien.

Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau überreichte die Ehrenamtsurkunde an Jutta Gebhardt. Foto: Frank Bertram
Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau überreichte die Ehrenamtsurkunde an Jutta Gebhardt. Foto: Frank Bertram

Die diesjährige Ehrenamtsurkunde der Kreishandwerkerschaft Northeim-Einbeck überreichte Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau an Jutta Gebhardt. Sie war von 1986 bis 2022 Vorsitzende des Ausschusses für Lehrlingsstreitigkeiten. „In den 37 Jahren haben Sie so manchen Streit zwischen Lehrling, Lehrmeister und Prüfungsausschuss beilegen können“, dankte Schonlau für diese Verdienste um die handwerkliche Ausbildung.

Beim Gildentag wurden insgesamt 72 Handwerker für langjährige Betriebszugehörigkeit und Meisterjubiläen ausgezeichnet. An der Spitze stand Elektromaschinenbauermeister Horst Schwarzer aus Northeim, der sein 70-jähriges Meisterjubiläum feiern konnte.

Auszeichnung im Leistungswettbewerb des Handwerks. Foto: Frank Bertram
Auszeichnung im Leistungswettbewerb des Handwerks. Foto: Frank Bertram

Im Leistungswettbewerb des Handwerks wurden aus dem Landkreis drei Nachwuchs-Handwerker im Bezirk der Handwerkskammer ausgezeichnet: Lina Akkurt aus Einbeck (3. Kammersiegerin Kauffrau im Büromanagement, Ausbildungsbetrieb: Diercks GmbH, Einbeck), Melissa Elsner aus Osterode (1. Kammersiegerin Friseurin, Ausbildungsbetrieb Fabienne Weber und Christine Fricke, Kalefeld), Nick Logojda aus Uslar (1. Kammersieger Kaufmann im Büromanagement, Ausbildungsbetrieb: Fliesenlegermeister Udo Krause, Uslar).

Aus dem Bereich Einbeck wurden geehrt:

Ehrung für 25-jährige Betriebszugehörigkeit: Miriam Bachert, Einbeck (Autohaus Hermann), Andre Exner, Ahlshausen (Dachdeckermeister Manfred Nienstedt, Opperhausen), Marcel Mohns, Einbeck (Sauter & Winkelvoss Bau GmbH & Co. KG Einbeck), Alexander Reispich, Dassel (Autohaus Kerkau GmbH, Einbeck), Markus Schaper, Lenne (Robert Esche GmbH Tischlerei, Einbeck), Heiko Striewski, Salzderhelden (Elektro Johanns GmbH & Co. KG, Einbeck), Friederike Mastronicola, Einbeck (Hoppert Heizungs- und Lüftungsbau GmbH, Einbeck)

Ehrung für 40-jährige Betriebszugehörigkeit: Peter Scholz, Einbeck (Maler- und Lackierermeister Frank Godlinski, Einbeck).

Ehrung für 25-jährige Meisterjubiläen: Kraftfahrzeugmechanikermeister Michael Kaluza (Eimen), Gas- und Wasserinstallateurmeister Lukas Tamme (Einbeck), Elektroinstallateurmeister Dirk Erdmann (Dassel), Kraftfahrzeugmechanikermeister Bernd Panzer (Einbeck).

Ehrung für 40-jährige Meisterjubiläen: Bäckermeister Heiko Binnewies (Northeim), Maler- und Lackierermeister Arno Rosien (Dassel).

Ehrung für 50-jährige Meisteriubiläen: Kraftfahrzeugmechanikermeister Günther Bartels (Dassel), Maler- und Lackierermeister Helmut Fischer (Dassel), Schlossermeister Udo Krüger (Dassel), Friseurmeister Heinz Riemann (Einbeck), Bäckermeister Rudolf Schamuhn (Dassel), Fleischermeister Berthold Meyer (Dassel), Maler- und Lackierermeister Helmut Mickan (Dassel), Fleischermeister Karl Schwerdtfeger (Dassel), Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister Frank Ziegenbein (Eschershausen).

Ehrung für 60-jährige Meisterjubiläen: Gas- und Wasserinstallateurmeister Hans-Albert Fuchs (Einbeck), Zimmermeister Heinrich Langheim (Kreiensen), Schmiedemeister Erhard Rohlf (Einbeck).

  • Ehrung für 70-jähriges Meisterjubiläen für Horst Schwarzer aus Northeim, hier mit Handwerkskammer-Präsident Delfino Roman (l.) und Kreishandwerksmeister Ulrich Schonlau. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 60-jähriges Meisterjubiläen für Willi Schörling aus Northeim. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 50-jährige Meisterjubiläen. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 40-jährige Meisterjubiläen. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 25-jährige Meisterjubiläen. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 40- und 50-jährige Betriebsjubiläen. Foto: Frank Bertram
  • Ehrung für 25-jährige Betriebsjubiläen. Foto: Frank Bertram

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