Neues Buch beleuchtet auch bisher unbekannte Seiten des Einbecker Schauspielers Wilhelm Bendow

(c) Landesarchiv Berlin / Screenshot

Von Frank Bertram

Endlich schreibt mal jemand über Bendow! Das war mein erster Gedanke, als ich eher durch einen glücklichen Zufall das Buch von Matthias Gerschwitz elektronisch in meinen Händen hielt, mich auf dem Tablet durch die 264 Seiten schmökerte. Nach dem Schauspieler und Kabarettisten Wilhelm Bendow (1884-1950), geboren als Emil Boden in Einbeck, ist zwar seit 30 Jahren der Theatersaal am Hubeweg benannt, auch die einen oder anderen Eckdaten und Geschichten seines Lebens sind in seiner Geburtsstadt bekannt und bereits erzählt. Eine ausführliche Biografie über das Leben Wilhelm Bendows fehlt jedoch bis heute. Der Berliner Autor Matthias Gerschwitz hat jetzt ein wesentliches Kapitel dieser Bendow-Biografie geschrieben und damit ein Lücke geschlossen. Im Dezember wird er sein Buch auf Einladung des Einbecker Geschichtsvereins in Einbeck vorstellen. 

„Tü-Tü und Zack-Zack“ (was für ein herrlicher und passender Buchtitel) über Wilhelm Bendow und Hubert von Meyerinck zeichnet deren fast vergessene Bühnen- und Filmkarrieren nach. Wer waren Wilhelm Bendow und Hubert von Meyerinck (1896-1971)? Dieser Frage hat sich Matthias Gerschwitz akkribisch gewidmet. Gerschwitz arbeitete einige Jahre lang für die Bavaria Film-Pressestelle und in gleicher Funktion für den Deutschen Filmpreis. Mit seinem Buch „Tü-Tü und Zack‐Zack“ erinnert er an zwei ungewöhnliche und doch für ihre Zeit typische Schauspieler und Kabarettisten, die vom Publikum wegen ihres Humors, ihrer Komik, ihren Persiflagen und ihrem Witz geliebt wurden, wie er schreibt.

Wilhelm Bendow gelte als Galionsfigur des Spiels mit den Geschlechterrollen, Hubert von Meyerinck sei mit unzähligen Nebenrollen auf der Bühne und in mehr als 300 Filmen und Fernsehsendungen ein ungekrönter König der zweiten Reihe, schreibt Gerschwitz. Weder Bendow noch Meyerinck waren Stars im heutigen Sinne. Beide hatten aber viele Gemeinsamkeiten – vom Erlernen der Schauspielkunst in der Schule des „Theaterzauberers“ Max Reinhardt bis hin zu ihrer Homosexualität. Beide können laut Matthias Gerschwitz als queere Ikonen gelten, obwohl sie unterschiedlich offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgingen. Beide seien so viel mehr als nur ein traniges „Aaaach, ist der Rasen schön grün“ (Bendows berühmter Rennbahn-Sketch, den später Loriot legendär machte) oder ein preußisch‐ markantes „Zack‐Zack“ (Meyerinck spielte viele Offiziersrollen).

Zu den heute noch bekannten Filmen jener Zeit mit Wilhelm Bendow gehören unter anderem „Die göttliche Jette“ mit Grethe Weiser (1937), „Quax, der Bruchpilot“ mit Heinz Rühmann (1941) oder „Wir machen Musik“ mit Ilse Werner und Viktor de Kowa (1942). Die Filmographie weist für Bendow zwischen 1912 und 1947 insgesamt 113 Filme aus.

Dass Bendow schwul war, wusste damals in Berlin imgrunde jeder, er selbst redete nicht öffentlich darüber – oder allenfalls in Andeutungen. „Er muss es auch nicht, denn er spielt es jeden Abend auf der Bühne.“ Vieles wisse man nur aus rudimentären Vermutungen und Erzählungen aus der Rückschau, schreibt Matthias Gerschwitz. In Einbeck sind Bendows Homosexualität und seine Vorliebe für einen guten Tropfen ein noch weitgehend unbekanntes, unerzähltes Kapitel.

Foto: Stadtarchiv Einbeck
Wilhelm Bendow in den 1930-er Jahren. Foto: Stadtarchiv Einbeck

Das Buch zeichnet nach, wie der Brauereisohn als Wilhelm Bendow der Kleinstadt entflieht, in der Weltstadt Berlin zum bekannten Komiker wurde, später zeitweise mit eigener Bühne. Gerschwitz beschreibt ein häufig anzutreffendes Phänomen, das auch bei Bendow zutraf: Künstlerisch genial, aber kaufmännisch eher Kreisliga. So war nicht nur seine Kabarett-Bühne mit dem frivol-augenzwinkernden Namen „Tü-Tü“ 1924/25, sondern auch die 1932 eröffnete „Bendows Bunte Bühne (B.B.B.)“ nicht von langfristigem wirtschaftlichen Erfolg gekrönt. Der Druck der neuen Machthaber nach 1933 kam hinzu. Bendows jüdischer Teilhaber Max Ehrlich musste ausscheiden. Bendow selbst musste die Leitung abgeben. Damals und in den Folgejahren habe Bendows Beliebtheit beim Publikum ihn vor größerem Schaden, etwa einem Auftrittsverbot, bewahrt, auch wenn die Nazis ihm seine kritischen Äußerungen übel nahmen und er als Homosexueller nicht in die NS-Ideologie passte, schreibt der Autor.

1944 jedoch brachte ein mehrdeutiger Scherz Wilhelm Bendow für ein halbes Jahr ins Arbeitserziehungslager Großbeeren/Wuhlheide. Dass ausgerechnet während seiner Haftzeit auch Wilhelm Bendow auf die so genannte Gottbegnadeten-Liste der Nationalsozialisten kam, auf der Künstler als unverzichtbar und vom Kriegsdienst freigestellt notiert wurden, gehört zu den Perversionen der Nazis. Bendow war, kurz bevor er ins Lager eingewiesen wurde, zur Truppenbetreuung in Dänemark und Schweden gebucht worden. Damals war die Tätigkeit Bendows noch als kriegswichtigen Zwecken dienend bezeichnet, seine Berufserhaltung als dringende Notwendigkeit notiert.

Bisher (in Einbeck) weitgehend ausgeblendet, beschreibt Gerschwitz Bendows Lebensende, das zwischen Alkohol und Verlassenheit zweifellos als tragisch bezeichnet werden darf. Es schmälert jedoch keineswegs den Ruhm für einen Schauspieler und Kabarettisten, dem mit dem Buch von Matthias Gerschwitz ein Ausrufezeichen hinzu gefügt worden ist.

Matthias Gerschwitz: Tü-Tü und Zack-Zack. Die fast vergessenen Karrieren von Wilhelm Bendow und Hubert von Meyerinck, 264 Seiten mit 100 Abbildungen, ISBN 978-3-75780-154-0.

(c) Matthias Gerschwitz
Cover des Buches. (c) Matthias Gerschwitz
Abbildung/Foto: Stadtarchiv Einbeck
Ankündigung eines Kabarett-Programmes mit Wilhelm Bendow 1936. Foto: Stadtarchiv Einbeck