Aktivitäter pachten die Walkemühle und wollen sie zur „Magischen Mühle“ entwickeln

(c) Foto: Frank Bertram

Dichte Hecken ranken um die Walkemühle in Einbeck. Seit vielen Jahren steht das mehr als 250 Jahre alte Fachwerkgebäude am südlichen Stadtrand von Einbeck leer, wird nicht genutzt. Ein Mühlenrad, das im Wasser klappert, hat die Walkemühle längst nicht mehr. Kaum sind die ersten Sträucher auf dem Gelände zurückgeschnitten, sind wieder Aktivitäten auf dem knapp 2700 Quadratmeter großen Grundstück am Mühlenkanal zu sehen. Die Walkemühle soll zur „Magischen Mühle“ werden. Für das Projekt hat der junge Verein „Die Aktivitäter“ das Areal von der Stadt Einbeck gepachtet.

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Vom städtischen Bauhof ist das Außengelände von den großen Hecken und Bewuchs befreit, jetzt stoßen die Aktivitäter um Katrin Liebscher das Tor auf zur Walkemühle. Foto: Frank Bertram

Und die „Aktivitäter“ machen ihrem Namen alle Ehre: Kaum haben sie den Schlüssel für das umzäunte Grundstück in den Händen, schon werden sie aktiv. Katrin Liebscher steht im Anbau der Walkemühle und hat genau vor Augen, wie sich der zurzeit noch leere Raum durch Bücherregale und Sitzmöbel verändern soll. „Hier schaffen wir eine magische Bibliothek, die ein Gemeinschaftsraum und Wohlfühlort werden soll, Leseclub-Veranstaltungen für Jung und Alt können hier stattfinden“, sagt die 40-jährige Einbeckerin. Sie ist Vorsitzende des erst vor drei Jahren gebildeten Vereins. Eine richtige Heimat hatten die „Aktivitäter“ bislang nicht, diese soll jetzt die Walkemühle werden. Über sein Vorhaben will der Verein am Freitag, 12. Mai, um 18 Uhr im Neu-Deli in der Münsterstraße informieren. Dort auf der großen Kinoleinwand wird es dann auch ein 3D-Modell der Walkemühle zu sehen geben.

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Katrin Liebscher vor der Walkemühle und dem Turbinenhaus (rechts) sowie den Kellerresten (links) eines früheren Nebengebäudes. Foto: Frank Bertram

Der Verein „Aktivitäter“ hat der Stadt Einbeck ein Grundkonzept für die Walkemühle vorgelegt, das den Verwaltungsausschuss überzeugt hat, wie Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek auf Nachfrage berichtete. Schritt für Schritt wollen die zurzeit etwa 20 Mitglieder des jungen Vereins dabei vorgehen. Zwischen 20 und 70 Jahren alt sind die aktuellen „Aktivitäter“, sie freuen sich über Mitstreiter jeden Alters für ihre Projekte, bei denen sich jeder einbringen kann mit der Motivation und den Fähigkeiten, die er hat. In der „magischen Walkemühle“ wollen sie das gesellschaftliche und kulturelle Angebot besonders in der Südstadt verbessern und die Walkemühle zu einem generationsübergreifenden Treffpunkt entwickeln. „Unser Ziel ist es, Menschen jeden Alters zusammenzubringen, um gemeinsam zu lernen, zu gestalten und zu träumen“, sagt Katrin Liebscher.

Alle Aktivitäten sollen unter der Überschrift „Zauberei, Magie und Hexerei“ stehen. Damit hofft der Verein, eine breite Basis und viele Facetten von phantasievollen Menschen möglichst dauerhaft an das Projekt zu binden. Das Thema „Magie“ erfreue sich spätestens seit dem Erfolg von Harry Potter einer großen Beliebtheit, weiß Liebscher. In den Beststellerlisten finde man viele Bücher mit einem „magischen“ Hintergrund auf den Spitzenpositionen. Die Vorsitzende selbst ist über den Leseclub „Die Zeilenschwärmer“ zur Aktivitäterin geworden. Den Leseclub für alle jungen und junggebliebenen Bücherfreunde, die ihren Spaß am Lesen teilen wollen, gibt es bis heute. Vor allem Fantasy-Fans sind hier gut aufgehoben.

Zunächst muss die Walkemühle baulich ertüchtigt werden, der 46 Quadratmeter große „Turbinenhaus“-Anbau, der zur „Magischen Bibliothek“ werden sollen, benötigt unter anderem neue Fenster und einen Fußboden. Ziel ist, diesen zentralen Treffpunkt als Lese- und Klöncafé witterungsunabhängig nutzen zu können. Daneben sollen Sanitäranlagen (im Außenbereich) geplant und verwirklicht werden. Zudem müsse das Grundstück weiter eingefriedet werden und eine Absicherung zum Mühlenkanal bekommen, sagt die Vorsitzende der „Aktivitäter“. Der (Kräuter-) Garten soll durch „Beet-Patenschaften“ strukturiert und organisiert werden.

Bei all diesen Aktivitäten sind Kooperationen mit Handwerkern, benachbarten Senioren-Wohnanlagen und den Schulen angestrebt. „Die Generationen können sich gegenseitig inspirieren, motivieren, mitreißen und fördern“, sagt Katrin Liebscher. Erforderliche Bauleistungen (z.B. Lehmputzen, Pflanzenkunde) sollen in Workshops gemeinsam mit Interessierten unter Anleitung von Fachleuten erfolgen – alles in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz.

Dass sie einen langen Atem haben und eher in Jahren denken müssen, ist den „Aktivitätern“ bewusst. Der Verein ist auf Spenden und Fördermittel sowie Eigenleistungen angewiesen. Er möchte Förderungen für konkrete Einzelprojekte und Abschnitte der Sanierung beantragen. Später sollen die diversen Aktivitäten die weitere Ausgestaltung des Baudenkmals Walkemühle fördern. Basteln und Bildhauerei sowie Malen und Schreiben schaffen schöpferische Ergebnisse, welche zu einer „museumsähnlichen“ Sammlung/Ausstellung im rund 90 Quadratmeter großen Erdgeschoss-Raum des eigentlichen Mühlengebäudes führen können, beschreibt die Vorsitzende die Überlegungen des Vereins. Hierbei können in Kreativworkshops sowohl Ausstellungsstücke hergestellt, aber auch historische und literarische Aspekte entwickelt werden. In den oberen Stockwerken der Mühle können „Werkstatt“ und Lagerräume entstehen, so dass sich kreatives Arbeiten auch nachhaltig in der Mühle entwickeln kann.

Im englischen Dorf Boscastle/Cornwall existiert ein „Museum of Witchcraft“, welches die „Aktivitäter“ perspektivisch durchaus einen Modellcharakter für die nachhaltige touristische Entwicklung auch der Walkemühle zuschreiben. Doch bis dahin, das weiß der Verein, ist es noch ein weiter Weg. Aber den wollen die „Aktvitäter“ Schritt für Schritt gehen – und jetzt voller Tatendrang beginnen.

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Hier entsteht die „Magische Mühle“ der Aktivitäter: Vorsitzende Katrin Liebscher hat das Logo als gelernte Grafik-Designerin selbst entworfen. Foto: Frank Bertram

Geschichte der Walkemühle

Als vor mehr als 500 Jahren unweit von Hullersen der Mühlenkanal von der Ilme abgezweigt und in Richtung Einbeck geleitet wurde, um die städtischen Mühlen mit fließendem Wasser versorgen zu können, begann auch die Geschichte der Walkemühle. Erstmals gesichert erwähnt ist eine Walkemühle der Tuchmacher im Jahr 1470. Der Begriff Walkemühle stammt vom walken, also dem Drücken, Stauchen und Pressen von gewebten Textilien unter fließendem Wasser mit Hämmern auf das Material, um dieses fester zu machen.

1571 war mit der Walkemühle auch eine Lohmühle der Schustergilde verbunden, bei der für die Lohgerberei notwendigen pflanzlichen Gerbmittel zerkleinert wurden. 1747 befanden sich in der Walkemühle ein Öl- und Mahlgang sowie eine Lohmühle. Im 18. Jahrhundert war die Mühle aber so baufällig geworden, dass niemand mehr dort wohnen mochte. Und obwohl die Wasserkraft („nur noch ein Gerinne vorhanden“) schwach geworden war, hat die Stadt die Walkemühle damals erneut verpachtet. Erst als der letzte Pächter wegen des schlechten baulichen Zustandes und der sinkenden Einnahmen die Mühle ohne Zahlung seiner Pacht 1750 sich selbst überließ, beschloss der Rat einen Neubau. Als Grund wurde von den Pächtern angegeben, dass die Brauberechtigten der Stadt ihr Malz auf den innerstädtischen Mühlen schroten lassen müssten, sowie der Kartoffelanbau bewirke, dass weniger Mahlkorn aus den umliegenden Orten komme und dass die in der Stadt hergestellten gewalkten Textilien („Zeuge“) aus der Mode gekommen seien.

Die heute noch existierende Walkemühle ist auf einen Neubau im Jahr 1752 zurückzuführen, der kurz vor dem Siebenjährigen Krieg für gut 500 Reichstaler errichtet wurde. Erhalten sind von dem Gehöft das Mühlengebäude, ein Turbinenhaus sowie der zuletzt als Eiskeller genutzte Unterbau eines abgebrochenen Nebengebäudes. Die Walkemühle liegt an der Straße in Richtung Pinkler/Dassensen.

Das zweigeschossige Fachwerkgebäude der Walkemühle auf einer Grundfläche von rund 12 mal 12 Metern wurde damals für 90 Taler im Jahr verpachtet. 1800 kaufte der letzte Pächter Georg Heinrich Ahrens für 1325 Taler die Walkemühle in Erbzinspacht. Im Brandkassenbuch von 1838-51 sind neben der Mühle mit Wohnhaus auch fünf Nebengebäude verzeichnet: eine Lohmühle, eine Sägemühle, eine Scheune, ein Stall und eine erstmals 1843 erwähnte Holzremise mit dem bis in jüngster Zeit erhaltenen Keller. Ein Lageplan von 1890 zeigt zwei Nebengebäude mit Sägemühle und Dreschmaschinen-Halle sowie ein Badehaus mit einem Steg zum Mühlengraben. Statt der Holzdreherei wurde 1912 als verputzter Ziegelbau ein Turbinenhaus auf einer Grundfläche von 9×7,5 Metern errichtet.

Am 2. April 1913 gab es ein massives Feuer in der Walkemühle. Erst mit Kaufvertrag vom 23. Januar 1913 war die Walkemühle in städtischen Besitz gelangt. Bei dem Brand wurden Gebäude eingeäschert und zerstört, das Wohnhaus blieb aber erhalten. Damals wurde Brandstiftung vermutet, weil erst wenige Tage vorher die Baulichkeiten bei der Landschaftlichen Brandkasse versichert wurden.

Ab 1985 wurde das Hauptgebäude der Walkemühle durch das Arbeitsbeschaffung-Projekt „Arbeiten und Lernen“ über einen Zeitraum von 20 Jahren durch Jugendliche grundlegend saniert. 1994 war eine Fallhöhe von 1,5 Meter für eine mögliche Turbine diskutiert worden. Außenhaut, Raumstruktur und Erschließung des Mühlengebäudes von 1752 wurden tiefgreifend verändert.

Quellen: Heege 2002, S. 111 ff., und Kellmann Baudenkmale 7.3, S. 486 ff., sowie Einbecker Geschichtsverein 125 Einbecker Jahre, S. 38/39.

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Ein Kommentar zu „Aktivitäter pachten die Walkemühle und wollen sie zur „Magischen Mühle“ entwickeln

  1. Das Projekt Arbeiten und Lernen wurde damals von Fritz Hoffmann aus Doerrigsen geleitet. Das zur Info fals noch Fragen sind.

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